03.12.2017

Gedanken zur Lohnrunde 2018

Trotz einer „fast Vollbeschäftigung“ steigen in den letzten Jahren die Löhne nur sehr mäßig. Warum ist das so?

Gewerkschaften sind im ewigen Zwiestreit der Meinungen: Zu hohe Lohnabschlüsse würden zu mehr Arbeitslosigkeit führen und die Inflation anheizen – zu niedrige Abschlüsse bewegen die Mitglieder eher aus der Gewerkschaft auszutreten, da die meist lediglich als „Vermehrer“ des Einkommens angesehen wird.

Nutzt die Gewerkschaft ihre Kraft (dort, wo sie diese noch hat) voll aus und erzielt hohe Abschlüsse, sind die meisten öffentlichkeitswirksamen Ökonomen - und ausgerechnet die der Deutschen Bundesbank - schnell dabei zu schimpfen, dass über die angeheizte Inflation nun wegen der folgenden restriktiven Geldpolitik auch die Arbeitslosigkeit steigen würde.

Wie man aber ganz deutlich sehen kann, gelten diese Thesen seit der Finanzkrise nicht mehr. Die Inflation ist derart niedrig, dass sich die Zentralbank schon zu Methoden genötigt sieht, die in Teilen bereits vor dem Verfassungsgericht diskutiert wurden. Man hört plötzlich von dort solche Begriffe wie „gesunde Inflation von 2%“. Auch Arbeitslosigkeit ist im heraufbeschworenen Umfang nicht zu sehen. Eher haben die Firmen ein „Fachkräfteproblem“ und suchen händeringend nach Arbeitskräften.

Ganz offensichtlich also gute Voraussetzungen, um höhere Lohnabschlüsse auszuhandeln. Das geschieht aber nicht. Und unsere, oben erwähnten Ökonomen, beschimpfen schon wieder die Gewerkschaft, diesmal aber für zu niedrige Abschlüsse. Selbst Mario Draghi (Chef der Europäischen Zentralbank) erklärt, dass es seine expansive Geldpolitik alleine nicht schafft, die Inflation in Richtung der gewünschten zwei Prozent zu treiben. Es müsse ein „kräftiger Einkommenszuwachs“ herbei. Auch der eher zurückhaltende Bundesbankchef ist dieser Meinung. Sogar der IWF (Internationaler Währungsfond) empfiehlt den Deutschen „aggressive“ Löhne zum Abbau des ungeliebten Leistungsbilanzüberschusses und letztendlich zur Erhöhung der Binnennachfrage.

Nach herrschender Meinung geht man davon aus, dass die Lohnentwicklung mit der Produktivitätsentwicklung gekoppelt ist. Hier könnte ein Grund für die Zurückhaltung der Gewerkschaften liegen. Der Zuwachs an Produktivität lässt seit einigen Jahren nach. Selbst der oft beschworene Zuwachs wegen der „digitalen Revolution“ lässt derzeit noch auf sich warten. Die größten Produktivitätsfortschritte gab es offensichtlich in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Produktivitätsfortschritte im rechnerischen Sinn können natürlich auch erzeugt werden, wenn man Personal entlässt. Dann allerdings nimmt man dieses Argument eher ungern für höhere Lohnforderungen.

Ein weiterer, und vielleicht viel bedeutenderer Grund für die Lohnzurückhaltung liegt in der sinkenden Tarifmacht der Gewerkschaften. Die Anzahl der organisierten Beschäftigen hat sich in den letzten dreißig Jahren fast halbiert. Somit ergibt sich zwangsläufig eine wesentlich schwächere Verhandlungsposition. Kurioserweise scheint das allerdings die Belegschaften nicht zu interessieren, denn eine „Eintrittswelle“ wäre eigentlich die logische Folge auf sinkende Verhandlungsmacht und damit sinkende Lohnabschlüsse. Zyniker behaupten schon: „...denen geht’s offenbar noch zu gut...“

Ein aus Sicht der Beschäftigten beklagenswerter Umstand ist das Absinken der sogenannten „Lohnquote“. Danach, und das war lange Jahre herrschende Meinung, stünden den Arbeitnehmern zwei Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung und den Unternehmern ein Drittel zu. Diese Quote sinkt nun seit 30 Jahren kontinuierlich zu Ungunsten der Arbeitnehmer.

Wie sich in Zeiten der Globalisierung gezeigt hat, gibt es ein sehr wirkungsvolles Instrument der Arbeitgeber: Die Drohung mit der Auslagerung der Arbeit ins Ausland. Es darf aber nicht die ultimative Antwort sein, dann eben in Deutschland die Löhne immer weiter zu senken, um mit einem unterirdisch niedrigen Auslandslohnniveau zu konkurrieren und am Ende gar gleichzuziehen.

Was nun? Welches Fazit müssten oder sollten die Beschäftigten und allen voran die Gewerkschaften aus diesem Wissen ziehen?

Es bedarf zu allererst einer starken Gewerkschaft mit einer ebenso stark organisierten Belegschaft in den Betrieben. Da der Kern jeder Politik und der Tarifarbeit aber auch der Kompromiss ist, wird es an der einen oder anderen Stelle auch weiter Kompromisse geben. Das darf aber hernach nicht dazu führen, dass nach Abschluss eines Tarifvertrages, die Unzufriedenen erneut die Gewerkschaft verlassen.

Eventuell hätte man – ausnahmsweise und moderat – mal auf Herrn Draghi, die Bundesbank und die Wirtschaftsweisen hören sollen...


Tarif Verhandlung Gedanken Autor: Werner Zielina

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